Nach ihrer Rede hatten es die Studenten eilig gehabt, auf ihre neuen Zimmer zu kommen und das Areal in Augenschein zu nehmen. Das wunderte sie nicht. Das erste Internat seiner Art, mit so vielen Kollegiaten, die Wesen aller Art sein konnten, manchmal eigentlich sogar Erbfeinde waren! Es war einfach unglaublich! Nachdem sie diesen Andrang in der Aula erblickt hatte, war sie ganz berauscht gewesen. So stolz... Das Gaia Projekt hatte seine gewünschte Wirkung erzielt. Viele Phantasten hatten ihre Kinder hier angemeldet, trotz der vorherrschenden Vorurteile gegenüber den anderen Arten. Und auch viele Heimatlose Jugendliche hatten hier ein Zuhause gefunden...
Nach der Ansprache war sie noch sehr lange in der Aula geblieben, einige der neuen Schüler kamen mit Fragen auf sie zu, den Rest der Zeit hatte sie sich angeregt mit anderen Mentoren ihres Kollegiums unterhalten. Schließlich waren sie alle so aufgeregt wie sie, und manche waren wie die Schüler erst heute an der Akademie angekommen.
Gerade, als sie ein Gespräch mit Professor Wyvern begonnen hatte, hatte es plötzlich in ihrer kleinen, ledernen Handtasche zu vibrieren angefangen und sie entschuldigte sich beim Professor.. Es war ihr Mobiltelefon und Mila am anderen Ende der Leitung. Zumindest dachte sie das. Doch statt Mila antwortete auf ihr 'Hallo' die Stimme eines jungen Mannes.
Aus dem jungen Burschen sprudelten die Wörter nur so heraus, so dass sie in kurzer Zeit erfahren hatte, dass er Eliah McCoy hieß und sie 'wohl alle in ziemlichen Schwierigkeiten' steckten. Offensichtlich hatte es einen merkwürdigen Vorfall mit einem Mädchen am See gegeben und sie war wohlmöglich verletzt. "Danke für Ihre Ausführungen, Mr. McCoy. Bitte, reichen Sie mich an Ms Belukova weiter."
Und schon meldete sich ihre langjährige Freundin am anderen Ende der Leitung. Bei den Beiden wurde ebenfalls nicht lange gefackelt, die Lage war ernst.
"Wer ist das Mädchen?", fragte Renja gleich, "... Fyr? War das nicht eine der Halbhexen? ... Ja, das denke ich auch. Ich hätte wohl bei meiner Rede schon auf das Zauberverbot hinweisen sollen, aber... Ich dachte an ihrem ersten Tag hier hätten sie eh alles mögliche andere im Kopf... Wie lange ist das her?... Hmm... Nimm Mr. McCoy mit!... Ja, natürlich, ich werde sofort hinfliegen!"
Renja hatte ein schreckliches Gefühl. Sie fühlte sich schuldig. Wer sollte die Kinder schützen, wenn nicht sie? Eigentlich hätte sie eine so große Bedrohung spüren müssen...
Renja gab Mentor Drisladil, der nur ein paar Meter entfernt gestanden hatte und ihr Telefonat mitbekommen hatte, noch die Anweisung, ihr sobald wie möglich nach zu kommen, zusammen mit der Schulkrankenschwester, und sie spurtete los, auf den Hof hinaus, wo sie sich trotz ihrer Schnelligkeit elegant in die Lüfte erhob und auf dem schnellsten Wege auf den See zuraste.
Der Schmerz und ihre Angst in ihrem Herzen so stechend kalt, wie die Luftmassen, die um sie herumwirbelten.
---> Ufer des Sees
Thema: Renja Walden 
