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 Steve und Inès

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BeitragThema: Steve und Inès   Steve und Inès EmptyDo Mai 17, 2012 3:11 am

Hier möchte ich gern kleinere Beiträge allein zu Inès und Steve posten. Ihre Beziehung soll sich im Laufe der Story noch verändern und ich bin mir nicht sicher, wie ich das im RPG unterbringen soll, also schreibe ich hier kleinere Kurzgeschichten nur zu ihnen beiden.
So muss ich nicht warten, bis es insgesamt weiter geht! Wink
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BeitragThema: Re: Steve und Inès   Steve und Inès EmptyDo Mai 17, 2012 3:12 am


(1)
Seufzend schlug Inès die Zeitung wieder zu. Am liebsten hätte sie sie zusammengeknüllt und in den Mülleimer gestopft, doch das wäre keine besonders erwachsene Reaktion gewesen. Also faltete sie das nutzlose Druckerzeugnis säuberlich zusammen und steckte es in ihre grüne Handtasche.
Sie bemerkte dabei nicht, wie sich ihre Brauen ärgerlich zusammenzogen und eine kleine Sorgenfalte auf ihre Stirn erschien. Hätte sie den Nerv gehabt, auf ihren Gesichtsausdruck acht zu geben, hätte sie vermutlich versucht, ein anderes Gesicht aufzusetzen. Schon als sie noch ein kleines Mädchen war, und sich um Falten und dergleichen noch nicht scherte, hatte ihre Mutter immer gesagt: „Schau nicht so finster drein, sonst bleibt dir dieses Gesicht!“. Erst als die ersten dauerhaften Falten auf ihrer Stirn sichtbar wurden, hatte sie verstanden, was ihre Mutter damit gemeint hatte.
„Immer noch nichts?“, fragte eine nur allzu bekannte Stimme hinter ihr. Inès wandte den Kopf und blickte Steve an. Er stand bereits unerwartet nah hinter ihr und kam noch näher, um seine Ellbogen auf der Lehne ihres Stuhls aufzustützen. Sie musste nun den Hals noch weiter drehen und das Kinn haben, um ihm beim Sprechen ins Gesicht schauen zu können.
„Nein, ich glaube, die einzigen Wohnungen in Montreal, die noch frei sind, befinden sich entweder in Windrichtung der städtischen Tierkadaverbeseitigungsanlage, oder kosten die deinen Erstgeborenen.“
Hätte sie nur nicht so vorschnell ihre alte Wohnung gekündigt. Sie war gemütlich gewesen, groß genug für sie allein und außerdem mietpreisgebunden. Es war die perfekte Wohnung gewesen. Natürlich nur, wenn man von ihren Nachbarn absah, die ständig Verwandte zu Besuch gehabt hatten, um dann bis drei Uhr morgens obskure Familienfeiern zu veranstalten. Und von dem Restaurant nebenan, das dafür sorgte, dass man die Fenster nur öffnen konnte, wenn man sich nicht an dem Essensgeruch störte, der dann wochenlang an alle Textilien in der Wohnung haftete.
Nein, alles in allem war es eine gute Wohnung gewesen. Eine Wohnung, die sie nun leider in den nächsten Tagen räumen müssen würde, da die Nachmieter darauf warteten, einziehen zu können.
„Hast du wirklich schon alles versucht? Warst du bei einem Agenten?“
Ja, bei einem Agenten war sie gewesen, doch der hatte erstens auf einer horrenden Provision bestanden und zweitens gelacht, als sie ihm den Preis genannt hatte, den sie für die Wohnung zahlen konnte.
„Nur James Bond könnte mir noch helfen.“, sagte sie resigniert.
Ihr Nacken schmerzte langsam von der Anstrengung sich um gefühlte 180 Grad zu drehen. Inès stand auf und strich ihren Rock glatt. Sie griff bereits nach ihrer Handtasche, hielt jedoch in der Bewegung inne, als Steve noch etwas zu ihr sagte. „Zu schade, dass du niemanden kennst, der ein komplettes Haus zur Verfügung hat, mit einem Gästezimmer in dem du eine Weile unterkommen könntest.“
Überrascht starrte sie ihn an. Es war zwar keine direkte Einladung gewesen, doch es war klar, was er damit meinte. Während er es gesagt hatte, war seine Miene so neutral geblieben, als hatte er nur einen Kommentar zum Wetter gemacht. Blitzschnell schossen ihr Bilder von früher durch den Kopf, wie bei einem Film, den man sehr schnell nach vorne laufen lässt. Das winzige Apartment mit den hellgelben Wänden - Der weißlackierte Metallrahmen des Bettes – Steve, wie er sich über ihre Kochkünste beschwerte.
Sie hatte wohl zu lange gebraucht, zu einer Antwort anzusetzen, denn er fügte erklärend hinzu:„ Das war ein Angebot. Du kannst gerne bei mir Wohnen, bis du etwas gefunden hast.“
Sie spürte wie sich ihr Puls beschleunigte. Er sagte das alles, als wäre nichts dabei, ihr einen solchen Vorschlag zu machen. „Danke, aber ich weiß nicht, ob ich das annehmen kann.“ Ob es eine kluge Idee wäre, mit diesem Mann wieder zusammenzuleben? Doch andererseits, hatte sie überhaupt eine Wahl? Das Hotel war kaum eine Option, das konnte sie sich nicht leisten. Und ihre Wohnung musste sie in drei Tagen verlassen. Dazu kam auch noch die Tatsache, dass sie noch nichts gepackt hatte.
Ihr schwirrte der Kopf allein bei dem Gedanken an alles, was noch zu erledigen war.
„Ich weiß aber. Nimm es an. Ist ja nicht so, als wäre es das erste Mal für uns.“ Er lächelte wieder dieses unverwechselbare Lächeln, das sein ganzes Gesicht verzauberte. Für einen Augenblick fühlte sie sich wieder wie 20 und sie konnte nicht anders, als ihn mit großen Augen anzustarren.
„Ist dir auch klar, was du da anbietest?“, fragte sie ihn. Ihr Ton war ergeben. Sie beide wussten, dass sie sein Angebot annehmen würde.
„Natürlich.“ Er grinste sie an. „Komm, ich fahr dich zu deiner Wohnung.“
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BeitragThema: Re: Steve und Inès   Steve und Inès EmptySa Mai 19, 2012 7:46 am

(2)

Der elegante, silberne Mercedes kam sanft vor dem kahlen Backsteingebäude zum Stehen. Die leise Musik aus dem Radio verstummte als er den Motor abstellte. Erst jetzt fiel Inès auf, dass sie beide beinahe die ganze Fahrt über geschwiegen hatten. Sie sah Steve dabei zu, wie er sich vorbeugte um an ihr vorbei durch das Beifahrerfenster das Wohnhaus zu begutachten. Dabei bemerkte sie, dass er noch nie in ihrer Wohnung gewesen war und so kam es, dass sie die unausweichliche Frage stellte: „Willst du noch auf einen Kaffee mit raufkommen?“ Es fühlte sich irgendwie merkwürdig an, ihm eine derartige Frage zu stellen, doch es wäre auch irgendwie unhöflich gewesen, ihn nicht einzuladen. „Gern.“, antwortete er, „Wo kann ich parken?“
Nachdem er den Wagen auf dem für ihre Wohnung bestimmten Parkplatz abgestellt hatte (Sie selbst besaß kein Auto), gingen sie nebeneinander den gepflasterten Weg von der Parkanlage zur Eingangstür hinauf.
Inès sah ihm interessiert zu, wie er die Umgebung um ihr Zuhause herum eingehend musterte. Es war keine exklusive Wohngegend, eher ein etwas schäbiges Vorstadtviertel, doch über die Zeit war es ihr ans Herz gewachsen.
Sie schloss die Tür auf und sie stiegen die Treppe hinauf. Ihre Wohnung lag im zweiten Stock und ihr entging nicht, dass Steve nicht mehr ganz so gut in Form war, wie es vor fast 20 Jahren der Fall gewesen war. Ja, die Jahre waren an ihnen beiden nicht spurlos vorrübergegangen.
Sie schloss auch die Tür zu ihrer Wohnung auf und bedeutete ihm, ihr zu folgen, nachdem er sich pflichtbewusst die Schuhe an der Türmatte abgestreift hatte.
„Kaffee also?“, fragte sie unnötigerweise, während sie den Mantel auszog und die Schlüssel in die gewohnte Keramikschale warf. Die Tasche hatte sie achtlos auf einem Hocker im Flur abgelegt. „Wenn es dir keine Umstände macht.“, erwiderte Steve. Aus irgendeinem Grund war er abgelenkt.
„Was ist?“
Er schaute sie mit hochgezogenen Augenbrauen an. „In wie vielen Tagen sollst du noch mal ausziehen?“
Schuldbewusst verzog sie sich in die Küche, um den versprochenen Kaffee zu kochen. „Drei.“
Er war ihr gefolgt. „Aber hier ist ja noch gar nichts in Kisten gepackt! Wie willst du das alles jemals rechtzeitig hier raus schaffen?“
Inès stöhnte auf. Das Packen hatte sie immer weiter hinaus gezögert. Schließlich hatte sie ja keine passende Wohnung gefunden. Und dann war sie so mit Unterricht und Wohnungssuche beschäftigt gewesen, dass das Packen einfach in den Hintergrund gerückt war. „Keine Ahnung.“
Wütend auf sich selbst, auf den blöden Umzug, die ungeduldigen Nachmieter und schließlich den unfähigen, unverschämten Immobilienagenten, zerrte sie die Dose mit dem Kaffee aus dem Schrank über der Kaffeemaschine. Dabei zerrte sie wohl etwas zu schwungvoll, denn die Hälfte des restlichen Inhalts des Schranks folgte der Dose ungebetener Weise. Sie wollte schon genervt aufschreien, doch die diversen Teebeutel und Messbecher fielen nicht wie erwartet zu Boden, sondern hielten im Flug an.
Sie wollte zunächst ihren Augen nicht trauen, doch da fiel ihr wieder ein, wer da in ihrer Wohnung stand. Sie drehte sich um und sah das selbstgefällige Grinsen auf Steves Gesicht.
„Du bist unmöglich!“, lachte er, worauf sie ihn nur böse anfunkeln konnte. Sie konnte sich wirklich angenehmere, ruhmreichere Situationen vorstellen, in denen sie ihn lieber an ihrer Seite gewusst hätte. Zerknirscht versuchte sie, nach einem der Päckchen zu greifen, um es wieder an seinen Platz zu stellen, doch es bewegte sich weiter nach oben, bis es außer ihrer Reichweite war.
„Was soll das denn jetzt?“, fragte sie ihn und warf ihm einen, wie sie meinte, respektheischenden Blick zu. Bei rebellischen Teenagern wirkte dieser Blick sonst Wunder, doch Steve schien davon wenig beeindruckt.
„Wenn das Zeug schon mal draußen ist, kannst du auch gleich damit anfangen, es in Kisten zu packen.“, sagte er, „Hat du wenigstens schon Umzugskartons besorgt?“
Zu ihrer Schande musste sie dies verneinen. Sie schüttelte widerwillig den Kopf.
Nun war es an Steve, entnervt aufzustöhnen. „Du hast wirklich gar nichts vorbereitet. Was würdest du nur ohne mich tun?“, fügte er hinzu. Auf einen Schlenker seiner Hand erschienen einige Kartons aus dem Nichts und warteten nur darauf, mit ihren Habseligkeiten gefüllt zu werden.
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BeitragThema: Re: Steve und Inès   Steve und Inès EmptyFr Mai 25, 2012 1:49 am

(3)
Inès hatte nicht damit gerechnet, dass Steve ihr beim Packen helfen würde. Normalerweise war er nicht besonders hilfsbereit, zumindest wenn es sich um derartig langweilige Tätigkeiten handelte.
Sie verbarg ihre Verwunderung nicht, doch falls sie Steve aufgefallen war, so ließ er sich dies zumindest nicht anmerken.
Die Kisten schienen sich wie von selbst zu füllen, was sie vermutlich teilweise auch taten, und so wurden sie vergleichsweise schnell fertig. Gegen halb zehn Uhr abends klebte Inès die letzte Kiste zu. Es war wirklich unglaublich, wie viel Zeug man in einem Leben so ansammelte.
Erschöpft ließ sie sich auf die Couch plumpsen und schaute sich in ihrem ungewohnt leeren Wohnzimmer um. Allein die Möbel standen noch an ihrem angestammten Platz, alle sonstigen kleineren Gegenstände, die Bücher und die Bilder befanden sich nun säuberlich verpackt in den Kisten, die nun in einer Ecke aufgetürmt waren.
Sie hörte Steve aus einem der Zimmer und über den Flur kommen. Sie sah ihn an während er durch die Tür kam und auf das Sofa zusteuerte. „Danke für deine Hilfe. Ich weiß nicht, wie ich das alles sonst geschafft hätte.“
„Gar nicht!“, antwortete er, nachdem er sich neben ihr auf der Couch niedergelassen hatte. „Schon in Ordnung.“, fügte er hinzu.
Sie ließ weiterhin ihren Blick im Zimmer umherschweifen und dabei fiel ihr ein Problem auf. „Was wird aus meinen Möbeln?“
„Ich habe eine Garage.“, sagte Steve schlicht.
„Das geht doch nicht! Das passte doch nie alles da rein!“, wandte Inès ein.
„Ich habe eine große Garage.“
„Ok.“, sagte Inès. Es hatte keinen Sinn, sich darüber Sorgen zu machen. Erstens war es heute schon zu spät, um sich um die Verstauung der Möbel zu kümmern und zweitens konnte Steve das selbst einschätzen. Wenn er glaubte, seine Garage sei groß genug, würde das wohl stimmen. Selbst wenn nicht, konnte er das ja auch noch ändern.
Sie erhob sich ächzend. „Ich würde dir ja ein Glas Wein anbieten, aber ich habe weder Wein, noch wüsste ich, in welcher dieser Kisten meine Gläser sind.“
„Mach dir keine Umstände. Ich denke, ich mach mich dann mal auf den Weg.“, sagte Steve.
Es war ein Glück, dass sie noch mit dem Rücken zu ihm stand, denn ohne, dass sie etwas dagegen tun konnte, huschte ein Ausdruck der Enttäuschung über ihr Gesicht.
Sie verstand nicht wieso, aber sie war gegen ihren Willen enttäuscht, dass er schon ging. Um sich nichts von ihren merkwürdigen Gefühlen anmerken zu lassen, setzte Inès ein vielleicht etwas zu strahlendes Lächeln auf und wandte sich zu ihm um. „OK, gut.“
Als Steve sich auf den Weg zur Tür machte, folgte sie ihm. „Danke nochmal. Und fahr vorsichtig!“, sagte sie, bevor er aus der Tür war.
Er lächelte. „Mach ich!“, sagte er und lehnte sich vor. Bevor sie wusste, was er tat, hatte er ihr einen Kuss auf die Wange gehaucht und war auch schon die erste Treppe hinunter.
Starr zog sie die Tür zu und ging in ihr Badezimmer. Sie putzte sich die Zähne und betrachtete sich dabei im Spiegel. Ihre Ohren waren rosa.
Erbost über sich selbst wusch sie sich das Gesicht mit eiskaltem Wasser. Was war nur mit ihr los?
Immer noch wütend stapfte sie in ihr Schlafzimmer hinüber und warf sich auf ihr Bett. Sie zog die Bettdecke über die Schultern und wälzte sich auf die gewohnte Seite.
Noch während sie einschlief hatte sie den Duft seines Aftershaves in der Nase.
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BeitragThema: Re: Steve und Inès   Steve und Inès EmptyMi Aug 29, 2012 2:11 am

Prolog: Der Club

Es regnete. Große Überraschung. Gab es in diesem überfeuchten Land auch mal einen Tag, an dem es nicht wie aus Eimern schüttete?
Inès ärgerte sich ein bisschen und fragte sich dabei gleichzeitig, warum sie nicht in ihrem warmen, gemütlichen Zimmer in Chelseas Apartment geblieben war. Sie könnte jetzt mit einer großen Tasse Tee in dem knautschigen Sessel neben dem Fenster sitzen und ihr Buch fertig lesen.
„Da ist dieser neue Club – total angesagt, Darling! Alle reden davon! Da müssen wir unbedingt hin, um deine Ankunft zu feiern!“, hatte Chelsea gesagt und wer konnte jemanden bei so viel Enthusiasmus schon Nein sagen?
Nur dass sie nun, da sie da waren, nicht allzu viel von besagtem Etablissement zu sehen bekamen. Seit einer geschlagenen Dreiviertelstunde standen sie nun schon in der Schlange vor der Eingangstür an. Inès wollte ja keine Spielverderberin sein, doch sie konnte sich ein angenehmeres Abendprogramm vorstellen, als sich in der Kälte die Beine in den Bauch zu stehen.
Die Schlange bewegte sich unvermittelt um einen Meter nach vorn, was nur bedeuten konnte, dass wieder zehn Auserwählte reingelassen worden waren. Was war nur so besonders an dem Lokal, dass alle Welt bereit zu sein schien stundenlang vor der Tür zu warten?
Inès sah sich um. Sie war umzingelt von gutaussehenden Menschen, die grüppchenweise zusammengedrängt in der schier endlosen Schlange anstanden und lachten und sich unterhielten.
Junge Männer um die 20 in ihren besten Hemden. Manche von ihnen trugen Sonnenbrillen, obwohl es bereits seit Stunden dunkel war. Junge Frauen, kaum mehr als Mädchen, in ihren schicksten Kleidern und mit sorgfältig hochgesteckten Haaren. Man konnte die hohen Absätze ihrer Schuhe auf dem Asphalt klappern hören.
„Ist was? Langweilst du dich? Darling, ich bin mir sicher, jetzt kann es nicht mehr allzu lang dauern!“, sagte Chelsea entschuldigend.
Ohne, dass sie sich dessen bewusst gewesen war, musste Inès wohl etwas grimmig ausgesehen haben. Sie war auch wirklich nicht besonders gut gelaunt, doch das wollte sie ihre Freundin nicht spüren lassen. Entschuldigend lächelte sie sie an.
Chelsea war immer so gut drauf und hatte auch so viel für sie getan. Ohne sie und ihre Hilfe wären Inés‘ erste Tage in London gewiss wesentlich schwieriger gewesen. Es wäre nun ungerecht gewesen, ihr den Abend mit ihrer schlechten Laune zu verderben.
„Nein, nein. Ich langweile mich doch nicht. Es ist nur ein bisschen kalt.“, log Inès.
Chelsea lächelte, offenbar zufrieden mit der Antwort. „Es kann bestimmt nicht mehr lange dauern.“, wiederholte sie.
Nachdem sie so ihr Gewissen beruhigt hatte, schaute Inès sich weiter um. Einige junge Menschen, die, wie man an den verschmierten Stempelabdrücken auf ihren Handrücken erkennen konnte, schon drinnen gewesen waren, standen zusammen gedrängt unter dem Vorsprung vor der Eingangstür und unterhielten sich. Inès wischte sich den nun regennassen Pony aus den Augen und beobachtete das Grüppchen genauer. Die Gesichter waren kaum zu erkennen, da sie nur schwach von dem bunten Neonschriftzug über der Tür angestrahlt wurden. Inès konnte gerade noch einige der Gesten ausmachen, die manche beim Reden machten.
Der leicht wehende Wind trug von Zeit zu Zeit Fetzen des Gelächters und der Gespräche herüber, doch nicht genug, um etwas vom dem zu verstehen, was gesagt wurde.
Plötzlich rückte die Schlange einige Meter nach vorn, sodass sie sich nun direkt vor dem dicken roten Seil befanden, das ihnen den Weg hinein versperrte. Gerade sie und Chelsea waren nicht mehr hinein gelassen worden, was nur bedeuteten konnte, dass sie noch mindestens 15 weitere Minuten Anstehen vor sich hatten. Entnervt legte Inès den Kopf in den Nacken und lies sich den leichten Nieselregen in die Augen fallen. Hier in der Stadt konnte man nachts nicht einmal die Sterne sehen.
Das laute Klirren von zerbrechendem Glas lies Inès aus ihren Überlegungen schrecken. Sie blickte um sich und sah die Gruppe, die sie vorher schon bemerkt hatte, wie sie nun dümmlich lachend um eine Pfütze mit Glasscherben herumstanden. Offenbar war einem der Jungen das Bier aus der Hand gefallen. „Kein Wunder bei dem Alkoholspiegel.“, dachte Inès bei sich. Das wollte sie auch zu Chelsea sagen, als ihr Blick zufällig den eines der Jungen kreuzte.
Er stand etwas abseits von seinen Freunden im Licht einer Straßenlaterne und zog gerade ein ziemlich ramponiertes Päckchen Zigaretten aus der Hosentasche. Das dunkle, leicht wellige Haar hing ihm beinahe bis auf die Schultern und durch das Neonlicht, das seine rechte Gesichtshälfte anstrahlte wirkte er sehr blass. Er trug nur ein weißes T-Shirt und Jeans, die Kälte schien ihm nichts auszumachen.
Sein Blick war zunächst kühl und abschätzend, doch als sich die Minuten in die Länge zogen und keiner von ihnen wegsah, breitete sich ein flüchtiges, jedoch irgendwie spöttisches Lächeln auf seinen Zügen aus. Ohne den Blick von ihr abzuwenden holte er eine Zigarette aus dem Päckchen und steckte sie sich in den Mund.
Aus dem Augenwinkel nahm Inès eine Bewegung wahr, als sich eines der Mädchen aus der Gruppe löste, um sich ihm zu nähern. Sie kicherte hysterisch während sie von der Seite ansprach und schien sogar noch aufgeregter zu werden, als er sich zu ihr umwandte. Sie hielt nun ein Feuerzeug in die Höhe und gestikulierte ihm, er könne sich seine Zigarette anzünden.
Inès bildete sich ein, sein Blick flackere noch einmal zu ihr herüber, während er sich vorbeugte, um sich die Zigarette anzustecken. Das Mädchen wiederum schien geradezu vor Stolz zu platzen und sah kichernd zu seinen Freundinnen hinüber.
Inès wandte den Blick ab und sah zu Boden. Verärgert zog sie die Brauen zusammen. Was stimmte mit dem bloß nicht? Als der Türsteher endlich die Absperrung aus dem Weg nahm und sie hineingehen konnten war sie umso erleichterter, da sie sich nun auch dem Blick des merkwürdigen Jungen entziehen konnte. Noch während sie Chelsea zur Eingangstür folgte, bildete sie sich ein, einen Blick auf sich zu spüren.
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BeitragThema: Re: Steve und Inès   Steve und Inès EmptySo Jan 27, 2013 11:30 am

Prolog: Der Club Teil 2

Nachdem sie beinahe zweieinhalb Stunden in dem rauchigen, überfüllten Club verbracht hatte, entschied Inès, dass es nun genug war. Niemand konnte ihr vorwerfen, ein Stubenhocker zu sein, wenn sie sich jetzt aus dem Staub machte.
Chelsea schien sich sowieso auch ohne sie bestens zu amüsieren. Sie tanzte nun schon seit geraumer Zeit mit dem gleichen, gutaussehenden Typen und beide wirkten ziemlich angetan von einander.
Sie selbst hatte nicht so viel Spaß gehabt. Gleich nachdem sie den Club betreten hatte, war ihr klar geworden, dass sie wohl besser Zuhause geblieben wäre. Der Club war vollgestopft und es stank nach Zigaretten und Alkohol, genau wie auch die meisten der Gäste.
Zwei Exemplare eben dieser Gattung hatten bereits ziemlich plump versucht Inès anzumachen.
„Hey, Babe. Was geht?“, raunte plötzlich jemand in Inès‘ Ohr. Sie konnte den Alkohol in seinem Atem riechen, so nah war er ihr gekommen.
„Nicht viel.“, sagte Inès, lächelte unbestimmt und versuchte sich gleichzeitig langsam und unauffällig nach hinten wegzuschieben. Es handelte sich um den Jungen von vorher. Aus der Nähe betrachtet sah er nicht besonders gut aus. Und roch auch nicht wirklich gut. Bier und Zigaretten bildeten nicht das anziehendste Cologne.
„Was?“, grunzte er. Er hatte sie wohl nicht verstanden, was bei dem ohrenbetäubenden Wummern aus den Boxen nachvollziehbar war. Zu Inès‘ Entsetzen lehnte sich der Typ weiter vor, offenbar um zu hören, was sie ihm gesagt hatte. Doch dort, wo er sich hin lehnte stand nun niemand mehr, da sie zuvor ja vor ihm zurückgewichen war.
Sie wollte noch die Arme ausstrecken, doch es war bereits zu spät. Aufgrund seiner vom Alkohol benebelten Sinne verlor er das Gleichgewicht und kippte einfach vorn über.
Glücklicherweise kamen bereits seine weniger betrunkenen Kumpels angerannt um ihren am Boden liegenden Freund aufzusammeln. Sie entschuldigten sich bei Inès und zerrten ihn von der Tanzfläche.
Nun reichte es ihr endgültig. Einen Fluch unterdrückend drängte sich Inès durch die Menge hinüber zu Chelsea und ihrer neuen Bekanntschaft. Sie tippte ihr auf die Schulter und wartete, bis Chelsea endlich ihren Blick von dem Typen losriss.
„Ich geh jetzt. Du brauchst nicht mitzukommen, ich finde den Weg schon.“
„Ok, bis später.“, war die einzige Antwort, die Inès von ihr bekam, bevor sie sich wieder ihrem neuen Freund zuwandte. Inès stutze kurz. Normalerweise hätte Chelsea darauf bestanden mitzukommen, Inès hatte erwartet, mit ihrer Freundin streiten zu müssen. Sie entschied, dass es vermutlich an ihren zahlreichen Drinks und dem Jungen, der bei ihr war liegen musste, dass Chelsea nicht ganz sie selbst zu sein schien.
Kopfschüttelnd wandte sie sich um und kämpfte sich durch die Menschenmenge in Richtung Ausgang durch. Ihre Jacke hatte sie glücklicherweise nicht abgegeben, so musste sie sich nicht in die lange Schlange an der Garderobe einreihen und konnte gleich weiter auf die Tür zusteuern.
Doch direkt vor der rettenden Ausgangstür wurde ihr der Weg von einem breiten Rücken versperrt. Entnervt stöhnte Inès auf. Der gesamte Abend war eine Kette von unerfreulichen Ereignissen.
Ihr Vordermann schien bemerkt zu haben, dass da jemand hinter ihm wartete, denn plötzlich trat er zur Seite und öffnete die Tür für sie. Inès, die bis vor einigen Sekunden noch ärgerlich auf seinen Rücken gestarrt hatte, murmelte ein halbherziges Dankeschön, ohne den Mann auch nur eines Blickes zu würdigen und trat durch die Tür.
Draußen schüttete es wie aus Eimern. Ohne sich um die umstehenden Menschen zu kümmern stieß Inès einen gepfefferten Fluch aus und zog dabei umständlich und ziemlich ungelenk ihre Jacke an. Wie sollte sie nur nach Hause kommen, ohne sich eine saftige Erkältung zu holen?
„Was für ein Vokabular!“, sagte eine unbekannte Stimme hinter ihr und sie konnte das Lächeln bereits hören bevor sie sich umdrehte um es auf dem Gesicht des jungen Mannes zu sehen. Es war der Typ, der ihr zuvor den Weg versperrt hatte, sie erkannte ihn an dem Streifenmuster seines Hemds, das sie zuvor eingehend hatte betrachten können. Nur dieses Mal sah sie ihm ins Gesicht, da sie ihn böse anfunkeln musste.
„Ach, was weist du schon!“, zischte sie und schaute dabei so böse, wie sie nur konnte.
„Kommt ganz drauf an, was du wissen willst.“, konterte er selbstgefällig. Sie verdrehte die Augen und wandte sich wieder ab. Noch befand sie sich im Trockenen, da sie sich in der kleinen überdachten Fläche vor der Eingangstür befand, doch keine zwei Meter weiter prasselte der Regen erbarmungslos auf den Asphalt.
Sie überlegte gerade, wie nass sie wohl sein würde, bis sie bei Chelseas Wohnung angekommen war, als der Typ wieder neben ihr auftauchte. „Du willst da doch wohl nicht rausgehen? Ganz ohne Schirm?“
„Was interessiert dich das bitte?“, war Inès einzige Antwort. Als sie sich ihm nicht wieder zuwandte, sondern einfach weiter stur nach draußen starrte, drängte er sich vor sie und ging leicht in die Knie, sodass sie gezwungen war, ihm ins Gesicht zu sehen. Er hatte große blaue Augen und dunkle Brauen, die er erstaunt hochgezogen hatte.
„Ich kann doch nicht zulassen, dass du da rausgehst, wenn du dir so doch sicher den Tod holst. Das wäre unterlassene Hilfeleistung!“
Der Typ ging ihr langsam auf die Nerven und sie hatte sich gerade dazu entschieden, einfach loszurennen, um so schnell wie möglich wieder ins Trockene zu kommen, doch er meldete sich bereits wieder zu Wort, geradezu als hätte er sich schon denken können, was sie vorhatte.
„Warte. Lass mich dir zumindest meinen Schirm geben.“
Erstaunt sah sie wieder zu ihm auf. Der Unbekannte lächelte sie an. Ohne es zu wollen schoss Inès das Blut in die Wangen. Sie war so perplex, dass sie sich ohne Widerstand von ihm einen Schirm in die Hand drücken ließ. Wo war der Schirm plötzlich hergekommen? Er war grell rot und sie war sich sicher, dass er ihr aufgefallen wäre, wenn er ihn zuvor in der Hand gehabt hätte.
Sie murmelte ein leises „Dankeschön“ und war schon in den Regen hinausgetreten, als ihr etwas auffiel. Sie lief zurück zu dem Mann, der immer noch an derselben Stelle stand.
„Aber dann hast du ja gar keinen Schirm mehr!“, sagte Inès.
Der Mann grinste nur schelmisch. „Ach, das macht nichts. So ist mein Look wesentlich verwegener.“, sagte er und zwinkerte ihr zu. Wieder wurde sie rot und war dabei froh, dass ihr Gesicht von der Dunkelheit verborgen wurde. Bedächtig spannte sie den Schirm auf und wandte sich halb um. „Ok, dann Tschüss.“
„Auf Wiedersehen.“, erwiderte der Mann leise.
Auf dem Weg die Straße hinunter wandte sich Inès noch ein paar Mal um, doch wegen der Dunkelheit konnte sie ihn bereits nach einigen Schritten nicht mehr erkennen.
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BeitragThema: Re: Steve und Inès   Steve und Inès EmptySa Feb 16, 2013 3:29 am

Prolog: So sieht man sich wieder!

Stechende Rückenschmerzen weckten ihn am nächsten Morgen. Der Untergrund war merkwürdig hart. Doch schlaftrunken wie er war, wälzte er sich nur auf die andere Seite, anstatt aufzustehen. Er hätte nicht einmal die Augen geöffnet, doch ein jäher, scharfer Schmerz an seiner Wange und das Übelkeit erregende Gefühl von etwas Warmem, das sich schnell auf seinem Gesicht ausbreitete, sorgten dafür, dass er doch die Augen aufriss und sich hastig auf die Knie rappelte.
Mit zitternden Fingern betastete er seine Wange. Als er die Hand wieder wegzog und sie sich vors Gesicht hielt waren seine Finger rot von seinem eigenen Blut. Ein Blick auf die Stelle des Fußbodens an der er geschlafen hatte verriet ihm, dass er sich in eine Scherbe gelegt hatte. Vermutlich von einer Bier- oder Weinflasche.
Steve sah sich weiter im Zimmer um.
Eines war schon einmal von vornherein klar. Dies war nicht seine Wohnung. Das Zimmer in dem er sich befand war düster und schmuddelig. Die Wände mussten wohl irgendwann weiß gewesen sein, doch nun waren sie schmutzig grau. Es gab nur ein Fenster, das ziemlich hoch gelegen war, daraus schloss Steve, dass er sich in einem Kellerapartment befand.
Es war ziemlich dreckig. Der Teppichboden war fleckig und, wie er schon am eigenen Leib zu spüren bekommen hatte, lagen einige Scherben verstreut herum.
Steve fuhr sich mit der Hand durchs Haar und presste sie dann an seine pochende Stirn. Langsam und so leise wie möglich, stand er auf und suchte den Raum nach seinem Mantel ab.
Es lagen noch weitere Menschen im Raum herum. Allesamt waren in seinem Alter und schliefen tief und fest. Er entdeckte seinen Mantel schließlich bei einem Typen, der gerade auf der Couch schlief und ihn als Decke benutzte. Leise und darauf bedacht, auf keine Glasscherbe zu treten, durchquerte er den Raum und zog den Mantel von dem Typen herunter. Der schien nichts zu bemerken und schlief seelenruhig weiter.
Angewidert musterte Steve zuerst den Jungen und dann seinen Mantel. Er würde ihn reinigen lassen müssen.
Mit dem Mantel in der Hand drehte sich Steve um und machte sich auf den Weg nach draußen. Er konnte sich kaum noch an die letzte Nacht erinnern und erkannte weder die Treppe, die zum Hauseingang führte, noch die Nachbarschaft, die hinter der Tür lag.
Die Wunde an seiner Wange blutete immer noch, Steve konnte spüren, wie ihm ein dünnes Rinnsal langsam den Kiefer hinabrann und auch seinen Hals und Kragen zu erreichen drohte. Der Schnitt musste schlimmer sein, als er zu Anfang angenommen hatte.
Steve blickte in eines der Fenster auf Straßenhöhe und begutachtete den Schnitt. Er wischte einmal mit dem Handrücken darüber, um die Wunde besser sehen zu können und musterte ihn abschätzend. Dann nahm er die verletzte Hautstelle zwischen Daumen und Zeigefinger, zog die Haut leicht nach oben, verweilte kurz in dieser Position und als er die Hand wieder wegnahm, war nichts mehr von der Wunde zu sehen, bis auf einen leichten rosa Streifen.
Zufrieden lächelte er seinem Spiegelbild zu und machte sich summend auf die Suche nach der nächsten U-Bahnstation.

Die Stadt war still. Es war Sonntag und die Läden waren geschlossen. Er ging die sonst so vollen Straßen hinunter, immer den gewohnten Weg, wie jeden Tag. Naja, nicht jeden Tag, er kam in letzter Zeit nur selten nach Hause. Trotzdem brauchte Steve nicht nachzudenken um den Weg nach Hause zu finden. Er musste nicht einmal aufblicken. Stattdessen war sein Blick starr auf den Boden gerichtet. Sein Blickfeld war ausgefüllt von dreckigem Asphalt, nur unterbrochen durch seine eigenen Schuhe, die bei jedem Schritt in und außer Sicht huschten.
Er hatte den Kragen seines Mantels hochgeschlagen, als Schutz gegen den kalten Wind und den Regen, denen sein ansonsten ungeschützter Kopf ausgesetzt war. Der Wetterumschwung war plötzlich gewesen.
Sein schwarzes Haar klebte auf seiner Stirn, nass vom Regen. Es war kalt, doch das störte ihn nicht. Dazu war er zu abgelenkt von dem nur allzu bekannten Schmerz, der nun heftig in seinen Schläfen pochte, verursacht von zu viel Alkohol in Verbindung mit zu wenig Schlaf. In letzter Zeit schien ihm dieser Schmerz wie zur Gewohnheit geworden zu sein. Er würde sich ein warmes Bad einlassen, wenn er Zuhause war. Ja, und eine starke Tasse Tee kochen.
Beinahe wäre er mit einem Fußgänger zusammengestoßen. Er hatte ihn nicht kommen sehen, natürlich nicht, sein Blick war ja auf den Boden gerichtet gewesen. Ohne Aufzublicken murmelte er so etwas Ähnliches wie eine Entschuldigung und wollte sich vorbeidrängen, doch etwas hielt ihn fest, als er schon beinahe vorbei war. Was sollte das denn?
Genervt wandte Steve den Kopf um einen Blick auf den unerwarteten Störenfried zu werfen. Zu seiner Überraschung war es kein verwirrter Penner, der ihn da am Mantelärmel festhielt, sondern ein hübsches Mädchen mit kurzem, blondem Haar. Sie starrte ihn aus dunklen, intelligenten Augen mit einem ebenso überraschten Blick prüfend an. Ihr Gesicht war in rotes Licht getaucht, da ihr Schirm das wenige Tageslicht, das auf sie fiel einfärbte.
„Hey!“, sagte sie überrascht.
In der Ferne konnte er ein Auto hupen hören.
„Hey.“, erwiderte er langsam, das Wort in die Länge ziehend. Er wusste nicht so recht, was er sagen sollte. Man erwartete ja auch nicht, so unvermittelt und scheinbar grundlos von einer Fremden angehalten zu werden.
Als sie ihn nach einigen Sekunden immer noch nicht losgelassen hatte, fragte er langsam, für den Fall, dass er es mit einer Geistig zurückgebliebenen zu tun hatte: „Lässt. Du. Mich. Bitte. Los?“
Ihr schoss das Blut in die Wangen und sie wich hastig zurück. „Oh, natürlich. Entschuldige, ich dachte wir kennen uns.“
„Schon in Ordnung.“, sagte er und wandte sich sogleich, nun da er frei war, ab. Die Kopfschmerzen wurden langsam schlimmer. OK. Zuhause, als erstes eine Aspirin, dann das heiße Bad, dachte er.
„Sicher, dass wir uns nicht kennen?“, hörte er sie rufen, als er bereits einige Schritte getan hatte. Nun endgültig genervt, drehte er sich noch einmal zu ihr um. Was stimmte nur nicht mit dem Mädchen?
„Ja do-“, setzte er an, doch dann erst sah er sie genauer an. Diese blauen Augen mit den dunklen Augenbrauen, zu dunkel eigentlich für ihr helles Haar. Er kniff die Augen zusammen. Auch ihre Stimme kam ihm irgendwoher bekannt vor.
Er hatte zu früh gesprochen, vielleicht kannte er sie doch. Nun war es allerdings an ihr, sich zum Gehen zu wenden. Offensichtlich peinlich berührt, machte sie auf dem Absatz kehrt.
„Es tut mir leid, ich muss Sie wohl verwechselt haben! Tut mir wirklich leid.“, murmelte sie, und hatte ihm schon den Rücken zugewandt. Verwirrt strich er sich das nasse Haar aus der Stirn. Sie war schon einige Schritte in die entgegengesetzte Richtung gegangen, und ihr riesiger roter Schirm, der bei jeder ihrer Bewegungen auf und ab hüpfte war nun alles, was er noch von ihr sehen konnte.
Dann machte es Klick.
„Hey, warte mal!“
Hastig lief er ihr hinterher, begleitet von lauten Spritzgeräuschen, verursacht von seinen Schuhen, während er über den überschwemmten Bürgersteig lief.
Der Schirm hielt inne und sie schaute zurück, sodass sich ihre Blicke kreuzten.
Wie hatte er sie nur nicht erkennen können? Vermutlich war sein Verstand nicht ganz auf der Höhe, verkatert, wie er war.
Spritzend kam er vor ihr zum Stehen. „Ich kenne dich doch! Du warst neulich auch in dem Club, oder?“ Erneut strich er sich die Haare aus der Stirn. „Ich hab dir den Schirm geschenkt.“ Trotz der pochenden Kopfschmerzen versuchte er sie anzulächeln.
Sie strahlte zurück. „Stimmt!“
Einige Sekunden lang herrschte Stille. Autos fuhren vorbei. Keiner wusste, was er sagen sollte, nun da die Frage ihrer Identitäten geklärt war. Das Mädchen schaute kurz zu Boden, als lägen dort die Worte, die ihr gerade nicht einfallen wollten.
„Willst du ihn wieder haben?“, fragte sie unvermittelt.
„Häh?“
„Den Schirm! Du bist ganz durchnässt, also hast du wohl momentan keinen anderen!“
„Nein. Natürlich nicht. Der war ein Geschenk.“, erwiderte Steve verwundert. Lächelnd setzte er hinzu: „Außerdem reicht es, wenn einer von uns beiden bis auf die Knochen durchnässt ist.“
Sie sahen sich an. Wieder Stille.
„Ich bin übrigens Steve.“, sagte er und streckte ihr die rechte Hand entgegen.
Sie nahm die ihr dargebotene Hand.
„Inès.“



Zuletzt von Dee am So Mai 05, 2013 10:04 am bearbeitet; insgesamt 1-mal bearbeitet
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BeitragThema: Re: Steve und Inès   Steve und Inès EmptySa Mai 04, 2013 11:35 pm

Der Anfang vom Ende


Das graue Licht, das durch das einsame, kleine Fenster des Schlafzimmers fiel brannte in Steves müden Augen. Langsam und unter scheinbar größter Anstrengung hob er die rechte Hand und legte sie über seine Augen. Sein Kopf dröhnte und er konnte die langsame Drehung der Erdkugel um sich selbst spüren.
Das leise Klirren von Besteck auf Geschirr verriet ihm, dass sich Inès in der Küche befand. Er stöhnte und rollte sich auf die Seite um den Kopf auf ein Neues in den Kissen zu vergraben. Die Bettdecke lastete schwer auf seinen Schultern.
Er presste die Augenlieder fest aufeinander und versuchte wieder einzuschlafen. Doch sein Verstand schrie viel zu schrill in seinem Kopf um auch nur eine Minute des heiß ersehnten Schlafs zu zulassen. Wie er so mit dem Gesicht nach unten auf dem Bett lag, war er sich seines Körpers seltsam bewusst und seine Haut fühlte sich wie etwas Fremdes an, das nur gerade so sein Inneres zusammenhielt.
Alles, was er sich in dem Moment wünschte war, seine Probleme für einen Moment hinter sich zu lassen, sich seiner bedrückenden Realität zu entziehen.
Steve hörte, wie sich die Tür zum Zimmer hinter ihm öffnete. Nur mit Mühe konnte er das Stöhnen unterdrücken, das sich in seiner Kehle bildete.
„Hey”, hörte er Inès hinter sich sagen. Er spürte, wie sie sich dem Bett näherte und roch den Kaffee, den sie in Händen hielt.
„Hey“, war seine gedämpfte Antwort. Steve hatte sich nicht einmal die Mühe gemacht den Kopf von den Kissen zu heben.
„Du musst mal was essen. Du liegst hier schon seit Gestern“, sagte Inès. Steve spürte, wie sich die Matratze neigte als sich Inès am Fußende des Betts niederlies.
Ein unbestimmtes Grunzen war alles, was sie von ihm als Antwort erhielt. Es folgte eine Pause, in der keiner von ihnen sprach. Die Sekunden schienen sich in die Länge zu ziehen und der Wind, der draußen um das Haus heulte war das einzigen, was die Stille im Raum durchbrach. Steve versuchte sich auf seine Atmung zu konzentrieren. Das Schreien in seinem Kopf war nun leiser, wenn auch nicht ganz verschwunden.
„Was ist passiert?“, fragte Inès leise. Sie erwartete eigentlich nicht wirklich eine Antwort von ihm, es war lange her, dass sie das Gefühl gehabt hatte, er würde sich ihr wirklich anvertrauen. Sie wusste nur, irgendetwas war passiert und versuchte nun so gut sie konnte zu helfen.
Zuerst zeigte Steve keinerlei Reaktion auf ihre Frage und blieb nur ruhig liegen. Doch als sie ihre Hand ausstreckte um ihn an der Schulter zu berühren, drehte Steve sich abrupt um, noch bevor sie ihn berühren konnte. Er sah ihr nicht in die Augen, aus Angst, sie würde die Wahrheit aus seinem Blick lesen können.
Nach einer weiteren Pause, die beiden wie eine Ewigkeit erschien, öffnete Steve den Mund, wie um etwas zu sagen, doch er schien es sich anders zu überlegt zu haben, denn er schloss ihn sogleich wieder.
Inès stöhnte innerlich. Er konnte ihr nicht einmal ins Gesicht sehen.
„Ok, vergiss es. Wenn du nicht mit mir reden willst, schön. Von mir aus kannst du hier drin versauern“
Sie meinte ihre harschen Worte nicht wirklich, doch er brach ihr das Herz, und er wusste es. Sie konnte die Tränen noch zurückhalten, bis sie aus der Tür war und sie hinter sich geschlossen hatte. Dann ging sie zu Boden.
Steve hatte die gesamte Zeit nicht aufgeblickt, und auch jetzt, wo er wieder allein war starrte er immer noch nur die Bettdecke an. Er legte sich wieder mit dem Gesicht nach unten hin und lies das Schreien erneut seinen Kopf erfüllen.
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BeitragThema: Re: Steve und Inès   Steve und Inès EmptySa Mai 04, 2013 11:36 pm

Das Ende


Als Steve zum nächsten Mal aufwachte hörte er ein leises Rascheln, das aus einer Ecke des Zimmers kam. Alarmiert richtete er sich mit einer einzigen Bewegung im Bett auf und starrte mit blinden Augen in die Dunkelheit. Er konnte gerade so eine weibliche Silhouette am anderen Ende des Zimmers ausmachen. Es war Inès. Sofort entspannte er sich wieder. Er hatte schon befürchtet... Aber sie hätten sowieso nicht eindringen können, ohne, dass er etwas bemerkt hätte, oder? Er machte sich eine mentale Notiz, gleich am nächsten Morgen die Sicherheitsbande zu überprüfen.
Inès schien nicht bemerkt zu haben, dass er aufgewacht war, denn sie kramte weiterhin in der großen Tasche vor ihr herum. Zu spät verstand Steve, was das zu bedeuten hatte. Die Panik, die nun in ihn aufstieg war um einiges größer, als die, die er zuvor verspürt hatte, als er einen Eindringling im Zimmer vermutet hatte. Denn er hatte keine Ahnung, wie er sich gegen das hier wehren sollte.
Mit betont langsamen Bewegungen tastete er hinter sich und fand schließlich den Lichtschalter für die Lampe neben dem Bett. Inès blickte nicht einmal der Tasche auf, als das grelle Licht plötzlich den Raum durchflutete, vielleicht hatte sie doch bemerkt, wie er aus dem Schlaf hochgefahren war.
Zunächst sprach keiner von ihnen ein Wort. Steve sah Inès an und sie starrte auf ihre Hände, die in der Bewegung innegehalten hatten.
„Dich überrascht das hier jetzt nicht im ernst?“, fragte Inès, den Blick weiterhin auf ihre Hände gerichtet. Steve bemerkte, dass sie kaum merklich zitterten.
„Nein, überrascht bin ich nicht.“, stimmte er zu und hielt dabei jegliche Gefühlsregung aus seiner Stimme fern. Die anfängliche Panik war bereits abgeflaut und sein Herz schlug nun nicht mehr schnell, sondern schien seine Schläge in die Länge zu ziehen, immer langsamer zu werden, bis es schließlich zum Stillstand kommen würde.
„Ist das alles, was du zu sagen hast?“ In ihrer Stimme lag eine eisige Kälte, doch dahinter konnte er nicht Hass, sondern eine tiefe Verletzung spüren. Diese hatte er sich selbst zuzuschreiben.
Er war wie eingefroren. Er wusste nicht, ob es seine Stimme war, die nicht mehr funktionierte, oder sein Mund, der wie zugeklebt war, aber er konnte sich nicht dazu bringen, etwas zu sagen. Er wusste, es brauchte nur eine Kleinigkeit, etwas, dass ihr zumindest ansatzweise zeigen würde, dass sie ihm nach wie vor die Welt bedeutete, dass er nicht wusste, wie er ohne sie weiter bestehen sollte... Doch er konnte nicht, er wusste er sollte nicht. War dies nicht sowieso das, worauf er die ganze Zeit hingearbeitet hatte? Sie von sich wegzutreiben, sodass man ihn nicht mehr durch sie treffen konnte?
„Dachte ich mir schon...“, der Schmerz, dass er nicht um sie kämpfen wollte war nun deutlich herauszuhören. Er blickte auf die Bettdecke, er konnte nicht zusehen, wie sie ging.
Das sanfte Rascheln von Stoff verriet ihm, dass sie sich aufrichtete. Leichte Schritte näherten sich dem Bett. Sie blieb zu seiner Seite des Betts stehen und beugte sich zu ihm herab. Sein Blick war immer noch starr auf die Decke gerichtet und seine Atmung war praktisch stehen geblieben. Der Moment schien sich in die Länge zu ziehen.
„Lebwohl, Steve“, hauchte sie gegen seine Stirn. Er konnte die Bewegung in ihrer Stimme hören, das verzweifelte Flehen, er möge sie doch aufhalten.
Als sie seine Stirn sanft küsste schloss er die Augen.
Sie entfernte sich von ihm und es war, als nähme sie den gesamten Sauerstoff im Raum mit sich.

Die Tür schloss sich hinter ihr mit einem sanften Klacken.


--- Soundtrack: Best Coast - No one like you ---
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